Interkulturelles Dating
„Du machen mit mir Promenad?“
Unsere Mütter und Großmütter kennen diesen Satz aus der Nachkriegszeit sicher noch. Damals mussten sich die Besatzungssoldaten mit ihrem Leben in Deutschland arrangieren. Sie waren einsam und hatten alles, was die gebeutelten Deutschen nicht hatten: Lebensmittel, Zigaretten, Kaugummi, Schokolade und einen ungebremsten Optimismus. Wer könnte es den Siegern verdenken? Kein Wunder also, dass viele deutsche „Fräuleins“ sich ebenfalls mit dieser Lage arrangierten, zumal viele Frauen sich und ihre Familie allein durchbringen mussten, weil die Männer entweder gefallen oder vermisst waren oder ihr Dasein in einem von Tausenden von Kriegsgefangenenlagern fristen mussten. Oft entstanden so „Bratkartoffelverhältnisse“, mitunter auch Ehen.
Vertauschte Rollen
Dann kam das Wirtschaftswunder und die Deutschen gehörten plötzlich zu den reichen Nationen. Das Verhältnis zwischen Amerikanern und Deutschen verlagerte sich mehr auf Gefühlsbeziehungen. Dafür wurden Verhältnisse mit Deutschen nun für andere arme Nationen attraktiv. Die sogenannten asiatischen „Katalogbräute“ sind hierfür ein Beispiel. Dann fiel der eiserne Vorhand und ein völlig neues Feld erschloss sich: Frauen aus Osteuropa, die „Anschluss im Westen“ suchten. Zudem bot das Internet über Partnerbörsen völlig neue Möglichkeiten. Zum anderen galt es für Unternehmen, die neuen Märkte im Osten zu erschließen. Expatriates wurden aus Deutschland entsandt. Und dort waren plötzlich auch Männer, die in Deutschland einfache Sachbearbeiter waren, plötzlich „begehrte Objekte der Begierde“. Hierfür gibt es zahllose Beispiele, auch in unserem weiteren Bekanntenkreis. Gar nicht so selten zerbrachen vordem glücklich erscheinende Ehen oder Single-Expatriates kehrten mit osteuropäischen Gattinnen zurück.
Kein „Wysiwyg“
Oft erschienen die Frauen aus Osteuropa als Schönheitsideale. Sie ziehen sich gut an und achten sehr auf ein gepflegtes Äußeres. Dagegen erscheint die „Gattin, die zu Hause den Haushalt schmeißt“ als „graue Maus“. Vielleicht gab es ja auch schon zuvor Reibungen zu Hause. Oder man hatte bei der Suche nach Anschluss in Deutschland nur wenig Erfolg, der einem jetzt im fremden Land „in den Schoß“ fällt. Daran ist zunächst einmal im Grundsatz nichts falsch, aber Vorsicht. Einst bewarb die Firma Lotus seine neue Benutzeroberfläche, die wie ein Stück Papier mit Kästchen auf dem Computerbildschirm aussah mit dem Namen „Wysiwyg“ – „What you see is what you get“. Kein Problem in der digitalen Welt. In der emotionalen Realität jedoch ein Quell unendlicher Missverständnisse. Denn gerade wenn Gefühle im Spiel sind, blendet man gerne unangenehme Dinge aus oder neigt zu falschen Annahmen – zumal am Anfang die Rollen klar verteilt sind. Im Klartext: Der Expatriate und der wohlhabende Deutsche fühlen sich durch ihre Stellung überlegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man unbedingt das in allen Aspekten bekommt, was man schon immer haben wollte. Denn jede Frau bringt ihre eigenen kulturellen Werte und Vorstellungen mit. Wie diese wirklich sind, stellt sich allerdings erst mit der Zeit heraus. Vermeintlich gleiche Dinge und Verhaltensweisen werden in unterschiedlichen Kulturkreisen verschieden interpretiert.
Mythos und Realität
Viele Frauen aus Osteuropa erscheinen deutschen Männern besonders attraktiv, weil sie sich toll anziehen und viel aus sich machen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Frauen Traumfrauen in jeder Beziehung sind. Viele finden einen Ferrari attraktiv, aber wenn man dann an der Tankstelle steht oder den Versicherungsbescheid bekommt, nimmt der Enthusiasmus sehr schnell ab, wenn man nicht gerade zu den wirklich Leuten gehört. „Einfache Lottogewinner“ werden hingegen schnell auf den Boden der Tatsachen geholt, wenn sie ihren Gewinn in solche Statussymbole investieren.
Weiterhin werden materielle Aspekte gern ausgeblendet. Natürlich sind deutsche Männer auch und vor allem attraktiv, weil sie Geld und Sicherheit bieten können. Jedenfalls in höherem Maße, als es die Frauen aus ihren Heimatländern gewohnt sind. Hierin unterscheiden sie sich nicht von vielen ihrer deutschen Pendants, aber dieser Aspekt wird oft schlicht ausgeblendet oder anders wahrgenommen. Oft treten sehr wohlhabende Männer mit jungen schönen Frauen an ihrer Seite auf. Der neue US-Präsident ist dafür ein aktuelles Beispiel. Milliardäre haben ja stets das Problem, dass sie nicht herausfinden können, ob es das Geld oder die Gefühle waren, die zum Ringtausch führten. Aber wie bereits angedeutet, dieses Argument gilt auch für Beziehungen zwischen deutschen Frauen und Männern. Eine Umfrage in Facebook ergab, dass Akademikerinnen zu einem hohen Prozentsatz nicht mit unstudierten Partnern zusammen sein wollen. Ein Aspekt mögen gemeinsame Interessen sein, aber kann man den materiellen Aspekt wirklich verleugnen? Schließlich bieten Akademiker zunächst einmal vielfach bessere wirtschaftliche Verhältnisse, als Männer, die nicht studiert haben.
„Meine Frau versteht mich nicht.“ – „Schto vui gavaritje? (Was sagen Sie?)“
Ein großes Feld für interkulturelle Missverständnisse ist auch immer der Kommunikationsstil. Deutsche Männer kommunizieren eher neutral, osteuropäische Frauen eher emotional. Abgesehen von möglichen Sprachbarrieren führt allein dieser Aspekt oft dazu, dass man sich nicht versteht. Zumal osteuropäische Frauen gern in einer Form übertreiben, die auch deutschen Frauen unbekannt ist. Manchmal manifestieren sich diese Probleme auch ganz subtil – der Humor ist unterschiedlich, man kennt nicht dieselben Filme oder hat einen völlig anderen Musikgeschmack. Gemeinsamkeiten, die man mit einer deutschen Ehefrau teilen könnte, weil man zur gleichen Zeit aufgewachsen ist, fehlen. Das mag als nichtig erscheinen, aber auf Dauer kann das durchaus für Brüche sorgen. Weiterhin sind Frauen aus Osteuropa meist mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet und interpretieren ihre Rolle aus ihrer eigenen Kultur heraus. Frauen in Osteuropa haben beispielsweise zum Großteil immer gearbeitet. Die Versorgung der Kinder erfolgte tagsüber entweder durch den Hort oder die Großeltern. Das ist natürlich den Wenigsten am Anfang bewusst, aber ein Deutscher, der seine emanzipierte deutsche Frau gern durch eine traditionelle und dazu noch schöne Frau ersetzen möchte, wird schnell auf den Boden seiner Illusionen geholt, wenn es um die Organisation des Alltagslebens geht.
Gleichzeitig drängt sich dem Autor oft der Verdacht auf, dass Frauen aus Osteuropa sich so verhalten, als seien die Männer ihnen aufgrund ihrer Schönheit etwas schuldig – beispielsweise Geschenke. Bleiben diese aus, trübt sich das Verhältnis schnell ein. Die Erwartungshaltungen unterscheiden sich oft dramatisch.
Was kann man tun?
Wer geschäftlich in Osteuropa unterwegs ist, besucht oft interkulturelle Seminare, weil er weiß, dass er sich mit der anderen Kultur auseinandersetzen muss, um Erfolg in dieser Region zu haben. Hingegen habe ich noch niemanden erlebt, der sich interkulturell auf eine Beziehung vorbereitet. Aber gerade das wäre mitunter notwendig, um das nötige Bewusstsein auf beiden Seiten zu schaffen, was man voneinander erwarten kann und wie die Lebenspläne sind. Unbewusst gehen wir alle von unserer eigenen Kultur aus. In diesem Fall bedeutet dies wie man den Haushalt führt, die Kinder erzieht und die Rollen in der Beziehung ausgefüllt werden. Das allein garantiert noch keinen Erfolg, aber mit den richtigen Kenntnissen rennt man nicht blind in ein Abenteuer, dass man als Solches gar nicht wahrgenommen hat oder gar bewusst ausblendet.
Schalten Sie einen Mediator ein. Das ist eine gute Investition in die Zukunft. In Beziehungen zwischen deutschen Partnern wird die gemeinsame Zukunft natürlich auch diskutiert, aber auf Grundlagen, die beiden Partnern bekannt sind. Vielleicht gibt es unterschiedliche Auffassungen, aber die grundsätzlichen kulturellen Parameter sind bekannt und versetzen die Partner in die Lage, sich leichter gegenseitig beurteilen zu können. Nicht umsonst werden Eheverträge aufgesetzt, um materielle Fragen für den Fall eines möglichen Scheiterns einer Ehe im Vorfeld zu klären. Das ist zwar unromantisch, aber so realitätsbezogen sind dann viele doch. Warum also nicht auch kulturelle Fragen mit Hilfe eines Experten im Vorfeld klären. Deutsche haben ja generell die Neigung zu planen und möglichst wenig dem Zufall zu überlassen. Im Fachjargon nennt man dies eine hohe Unsicherheitsvermeidung. Der Erfolg gibt den Deutschen ja auch irgendwie Recht. Warum diese Erkenntnis also nicht auch auf Beziehungen ausweiten, denn wie schon der große Goethe formulierte: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich Herz zu Herzen findet?“ Gern unterstützen unsere interkulturellen Coaches Sie bei dieser Prüfung mit ihrem Coaching- und interkulturellen Know-How.
Der Autor arbeitet als selbstständiger interkultureller Experte u.a. für osteuropäische Länder und Kulturen und bereitet Geschäftsleute , die dorthin entsandt werden oder in anderer Funktion dort tätig sind, auf diese Länder vor. Zudem hat er selbst 10 Jahre in Russland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn gelebt und gearbeitet. Er ist seit 21 Jahren verheiratet mit einer Russin, kennt interkulturelle Reibungsflächen aus erster Hand und weiß, wieviel Toleranz mitunter von beiden Seiten erforderlich ist, um die Beziehung erfolgreich zu gestalten. Er und seine Frau haben 2 Kinder und wie er heute weiß, hat er einfach auch unheimlich viel Glück gehabt.