Interkulturelle Trainings China sollen nicht nur den Teilnehmern vermitteln, wie man sich benehmen soll (die berühmten „Dos and Don´ts“), sondern auch, wie die Chinesen ticken: Wie verhalten Sie sich in welcher Situation, was sind ihre kulturellen Werte und welche Einstellungen haben sie zu bestimmten Themen. Anhand von kulturellen Dimensionen, wie z.B. Hierarchiedenken, Kommunikationsmuster, die Bedeutung von Beziehungen oder die Einstellung zu Zeit lassen sich diese Unterschiede hervorragend darstellen und entsprechende Handlungsstrategien erarbeiten.
Hierzu zählt aber auch das Selbstverständnis der Chinesen, das sich nicht so ohne weiteres in eine Kulturdimension pressen lässt. Aus diesem Grund beinhaltet jedes unserer interkulturellen Seminar China auch eine kurze prägnante Abhandlung über die Geschichte des Landes.
Wie alle wissen, gehört China zu den ältesten Kulturen der Welt und ist eine der 4 frühen Hochkulturen (neben Ägypten, Mesopotamien und Indien). Nicht umsonst wird das Land auch als „Reich der Mitte“ bezeichnet, denn genauso empfinden es die Chinesen. Tatsächlich betrachtete sich der frühere Kaiser von China als Herrscher der Welt. Diese Einstellung begründete schon einmal einen Konflikt. Denn als der britische Gesandte Lord Macartney 1793 sich weigerte, vor dem Kaiser den Kotau zu praktizieren, also das protokollarisch korrekte tiefe Verbeugen bis der Kopf den Boden berührt. Die Chinesen, die die Briten als tributpflichtiges Land ansahen, erwarteten dies. Der britische Lord verweigerte dies jedoch mit dem Hinweis, dass er eine solche Geste lediglich vor seinem König machen könnte. Die angestrebten Handelbeziehungen kamen also nicht zustande.
China war damals ein Land in Selbstisolierung, in dem Europäer nur in Kanton (heute Guangzhou) nach bestimmten Regeln Handel treiben konnten. Das änderte sich 1842 mit dem Ende des 1. Opiumkrieges. Großbritannien hatte seine Demütigung nicht vergessen und spielte nun seine militärische Überlegenheit aus, die von den Chinesen stark unterschätzt wurde. Das Resultat war der Erwerb Hongkongs sowie die Möglichkeit für Großbritannien, nach Belieben Opium nach China zu exportieren. Nach dem Sklavenhandel verdiente sich das Vereinigte Königreich also mit dem Drogenhandel eine goldene Nase, aber das nur nebenbei.
Bis zum 2. Weltkrieg gewannen die europäischen Großmächte und die USA immer weiteren Einfluss im Land. Chinesische Versuche, sich davon zu befreien wurden im Keim erstickt (Boxeraufstand 1900). Welche eine Demütigung für ein Land, das über Jahrhunderte eine Weltmacht gewesen war und sich auch als Zentrum der Welt verstand.
Nach dem 2. Weltkrieg gewannen die Kommunisten den Bürgerkrieg, die nationalchinesische Regierung zog sich nach Taiwan zurück. China ist seitdem „gespalten“ in die kommunistische Volksrepublik China und die kapitalistische Republik China auf Taiwan. Selbstredend erheben beide Seiten Anspruch auf die jeweils andere Seite.
Bis 1979 blieb die Volksrepublik gefangen in der sozialistischen Wirtschaft. Seitdem erfolgten eine Öffnung und eine Transformation des Landes. Die kommunistische Partei blieb natürlich als alleiniger politischer Faktor an der Macht. Aber die nun entfesselten wirtschaftlichen Kräfte des bevölkerungsreichsten Landes der Erde brachten China nicht nur Wohlstand, sondern auch politische und militärische Macht.
Kombiniert man nun das durch die lange Geschichte geprägte Selbstverständnis der Chinesen mit der neu gewonnen Macht und berücksichtigt man, dass die Chinesen vom „Westen“ sich jahrzehntelang gedemütigt fühlten, ergibt sich eine explosive Mischung. Neben der Erhebung von Gebietsansprüchen auf fast das gesamte südchinesische Meer (hier geht es vornehmlich um Einfluss, Seewege und Rohstoffe) ist die stets wiederholte Forderung nach Wiedereingliederung der „abtrünnigen Provinz“ Taiwan ein weiterer logischer Schritt in der Ausnutzung der neuen Machtposition.
Taiwan steht seit der Machtübernahme der Kommunisten in Peking unter dem militärischen Schutz der USA. Was würde also im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan geschehen? Würden die USA auf Seiten Taiwans aktiv in den Konflikt eingreifen und einen Krieg mit China riskieren? Oder würden sich die USA darauf beschränken, Taiwan lediglich zu unterstützen, wobei ein Sieg Chinas dann erheblich wahrscheinlicher wäre. Allerdings geht es hier nicht alleine um Taiwan. Auch die anderen Staaten der Region von Australien bis Japan würden die entsprechenden Schlüsse aus der Reaktion der USA ziehen.
Russland hat es vorgemacht – der Einmarsch in die Ukraine war nur nicht so erfolgreich, wie Moskau sich dies erhofft hatte, im Gegenteil. Statt der strahlende Sieger zu sein, wird Russland geschwächt aus dem Konflikt hervorgehen, egal wie er ausgehen wird. Eine Warnung für China? Nur indirekt, denn die Lage im Osten Asiens ist eine andere.
Ein weiterer Faktor bleibt zu berücksichtigen. Die Verflechtung der Weltwirtschaft spielt mittlerweile eine entscheidende Rolle. Käme es zu einem Krieg zwischen China und den USA (was manche prominente Militärs der USA ja noch nicht einmal ausschließen) würde ein solcher Konflikt fatale Folgen für die Wirtschaft auf dem gesamten Globus haben. Dann heißt es mit Sicherheit Good-Bye Klimaschutz, jetzt müssen wir uns erst mal selbst retten.
Noch vor einer Generation wäre ein Krieg in Ostasien zwar unangenehm gewesen, aber Europa und die USA wären zurecht gekommen. Schließlich gab es ja sogar einen solchen Krieg in Vietnam. Heute geht es schlicht auch darum, wer weniger zu verlieren hat. Und im Zweifelsfall ist eine Diktatur wie die Volksrepublik China im Vorteil. Nicht, dass China nichts zu verlieren hätte, aber die politische Führung muss schlicht weniger Rücksichten nehmen und kann auch einschneidende Maßnahmen ungefragt umsetzen.
Die Großmacht China auf dem Weg in den Konflikt? – Durchaus möglich, wenn in Peking der Gedanke überhand gewinnt, dass der Preis zu verkraften wäre. Der ideologische und der kulturelle Hintergrund zu solchen Gedanken ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen.