Asyl und Kriminalität – Furcht und Wirklichkeit

Asyl und Kriminalität – von Furcht und Wirklichkeit

Ein wahnsinniger jugendlicher radikalisierter und vermutlich afghanischer Attentäter schnappt sich eine Axt, attackiert wahllos Leute in einem Zug, dann die herbeigeeilten Polizisten und wird daraufhin erschossen. So lauteten die Schlagzeilen. Auch Kritik an der Polizei wurde laut. Wie immer bei Schusswaffengebrauch. Ich möchte mir hingegen lieber nicht vorstellen, wie ich reagieren würde, wenn ein Axtmörder auf mich zustürmt und ich eine Waffe in der Hand hätte. Und ich bin davon überzeugt, dass die Polizisten nicht unbesonnen gehandelt haben. Allerdings ist dies nicht das Thema dieses Blogs. Wie kann man die Tat aus interkultureller Sicht interpretieren?

Am Ende einer Odyssee

Der Attentäter kam mutmaßlich aus Afghanistan. Tatsächlich stammen die meisten Flüchtlinge, die Deutschland in den letzten Monaten erreicht haben aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Das ist kein Wunder, bilden diese drei Länder doch die Hotspots der Krisengebiete im Vorderen Orient. Die Leute fliehen vor Gewalt, Hunger und Perspektivlosigkeit. Was können sie in und von ihrer Heimat schon erwarten? Sie haben Familien und kämpfen täglich ums Überleben. Dies sind Umstände, die die Generation unserer Eltern und Großeltern noch kennen, die Deutschen der Nachkriegsgeneration jedoch glücklicherweise nicht. Ich war selbst Soldat. Das war zur Zeit des kalten Krieges. Glücklicherweise wurde der nie heiß und ich war in der privilegierten Lage, einfach dasitzen zu können und damit abzuschrecken. Wie meine 500.000 deutschen Kameraden. Es fällt also schwer nachzuvollziehen, wie sich die Flüchtlinge wirklich fühlen und was sie hinter sich haben. Wir wissen nur – sie haben ihre Heimat verlassen und zwar nicht freiwillig, sondern unter so großem Druck, dass es besser erschien, alles aufzugeben und das Leben auf gefährlichen Fluchtrouten zu riskieren, als zu Hause auszuharren. Und wir wissen auch, dass Familien auf der Flucht getrennt wurden, oder dass sich Flüchtlinge auch einzeln versucht haben, sich durchzuschlagen. Hiervon künden Tausende Minderjähriger, die es nach Deutschland gespült hat und die nun auf die Hilfe der Jugendämter angewiesen sind.

Raumschiff Enterprise auf irdisch

Woche für Woche stieß die Enterprise in den sechziger und siebziger Jahren (für jüngere Leser: Heute heißt es Star Trek) in neue Welten vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. So muss es auch für die weitaus größte Zahl der Flüchtlinge sich darstellen. Die genannten Länder sind alle islamische Staaten, sie haben ein heißes Klima und Sitten und Gebräuche unterscheiden sich wesentlich von denen in Deutschland. Die gesamte Gesellschaftsordnung ist anders, nach unseren Maßstäben meist rigider. Diese Leute kommen nach Deutschland, in eine pluralistische Gesellschaft mit geschriebenen Regeln, die allgemein befolgt werden, und anderen Wertvorstellungen. Gerade die Stellung der Frau ist ein prominentes Beispiel für diese Unterschiede. Endlich in Sicherheit, aber in einer unbekannten Welt. Aber es gibt keinen Scotty, der sie woanders hin beamen kann.

Deutschland hilft – und ist gespalten

Frau Merkel hat den Flüchtlingen ein sehr großzügiges Angebot gemacht. So großzügig, dass sie jetzt einen Pakt mit denen schließen muss, die unsere Werte zunehmend mit Füßen treten. Vielleicht war das voreilig, vielleicht auch nicht. Die Deutschen fühlen sich zum großen Teil jedenfalls überrumpelt von einer Vielzahl von Flüchtlingen und den Belastungen, die sie mit sich bringen. Pegida und der Aufstieg der AfD sind sichtbare Beweise dafür. Ich bin der Überzeugung, dass die Deutschen grundsätzlich gerne helfen und Menschen Zuflucht gewähren, die durch Krieg und Gewalt verfolgt werden. Andererseits hat Deutschland mehr als 1 % unserer Bevölkerung seit 2015 als Flüchtlinge aufgenommen. Das ist eine enorme Zahl. Es ist nicht absehbar, dass diese auch zurückkehren werden und ich bin davon überzeugt, dass dies das eigentliche Problem ist. Ein Ende der Konflikte im Vorderen Orient ist nicht abzusehen. Und ich habe den Eindruck, dass alle stillschweigend, und wahrscheinlich zu Recht, davon ausgehen, dass die Flüchtlinge freiwillig oder gezwungenermaßen in Deutschland bleiben werden. Keine einfache Situation. Was tun? Die Bundesregierung tut glücklicherweise einiges. Integrations- und Deutschkurse sind sehr wichtige Instrumente, um die Eingliederung voran zu treiben. Aber das ist erst der Anfang. Eingliederung muss auch gelebt werden, und inwieweit das möglich ist, wird erst die Zukunft zeigen. Das Beispiel der türkischen Gastarbeiter kommt da in den Sinn, die sich am Anfang auch sehr schwer taten, aber mittlerweile mehrheitlich ihren Platz in der Gesellschaft gefunden haben. Es ist also nicht nur eine Frage der Bemühungen, sondern auch eine Frage der Zeit. In der Zwischenzeit wird diese Problematik natürlich instrumentalisiert, gerade vom rechten politischen Spektrum. Der frauenbegrapschende kriminelle Flüchtling wird als Menetekel an die Wand gezeichnet. Aber ist dem auch so?

Statistiken können unbequem sein

Wie das Bundeskriminilamt mitteilte, ist die Kriminalitätsrate unter den afghanischen, irakischen und syrischen Flüchtlingen unterdurchschnittlich. Tatsächlich ist sie sogar gesunken! Wie praktisch für alle Rechtspopulisten, dass gerade jetzt einer von diesen Flüchtlingen durchdreht. Es ist auch ein Beispiel dafür, dass Bemühungen nicht immer fruchten. Hatte man den Jugendlichen allein gelassen? Nein, er war unter Obhut des Jugendamtes in einem Flüchtlingslager und danach sogar in einer Pflegefamilie. Aber etwas in seinem Leben muss schief gelaufen sein. Er radikalisierte sich. Man kann nur spekulieren warum, aber eines ist klar – was immer der Auslöser war, er ist mit seiner Situation und der neuen Welt nicht klar gekommen. Wenn man bedenkt, dass die Flüchtlingszahl die Millionengrenze längst überschritten hat, ist es rein statistisch gesehen nicht verwunderlich, dass es so jemanden gibt. Aber es geht hier um einen Einzelfall. Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht andere Fälle geben könnte oder dass es kein Potential von radikalen Islamisten unter den Flüchtlingen gibt. Man sollte diese Tat jedoch einmal in die richtige Perspektive rücken. Hierzu zählt meiner Ansicht nach auch, dass gerade diejenigen, die nicht die geringste Ahnung von der Situation der Flüchtlinge haben, einmal kurz innehalten und noch einmal nachdenken, bevor lautstark Transparente geschwenkt werden.

Deutschland fordert – zu Recht

Deutschland hilft – und erwartet, dass die Flüchtlinge sich anpassen. Das ist unser gutes Recht. Sie sind zu uns gekommen und haben Zuflucht gesucht, nicht wir bei ihnen. Wir sind Deutsche und wir wollen weder unsere Identität noch unsere Wertvorstellungen ändern. Das müssen die Flüchtlinge. Wie schwer das ist, ist jedem klar, aber es ist auch ein notwendiger Prozess, wenn Anpassung und Integration gelingen sollen. Dies erfordert, dass die Flüchtlinge einerseits mit Deutschland vertraut gemacht werden müssen – learning by doing reicht nicht aus! Die Flüchtlingsproblematik ist hierbei nur ein Aspekt. Im Prinzip gilt dies für alle, die sich in unserem Lang für eine bestimmte Zeit oder auch immer niederlassen. Global Cultures bietet zu diesem Thema integrierte interkulturelle Trainings und Coachings Deutschland mit großem Erfolg an. Andererseits ist von entscheidendem Vorteil zu wissen, wie die Leute „ticken“, die zu uns gekommen sind. Gegenseitiges Verstehen ist eine Voraussetzung dafür, dass welche Maßnahme auch immer fruchten kann. Auch hierfür bietet Global Cultures ein umfangreiches Angebot, das vom integrierten interkulturellen Training und Coaching arabische Länder bis hin zu landespezifischen Schulungen zu Irak, Syrien oder auch Afghanistan reicht. Vielleicht ist dieser Beitrag zur kulturellen Sensibilisierung ja viel wichtiger als gedacht. Er ist auf jeden Fall konstruktiver, als sich von Stereotypen leiten zu lassen, die an die eigene Befindlichkeit, nicht aber an die Wirklichkeit angepasst werden.

About the Author:

Rainer Beekes ist interkultureller Experte aus der wirtschaftlichen Praxis. Während seiner Unternehmenslaufbahn war er über 25 Jahre für multinationale Konzerne wie z.B. Volkswagen Financial Services, American Express, GMAC oder Société Générale in 5 Ländern in Linien- und Führungspositionen tätig. Der studierte Betriebswirt und Master of International Management (MIM) leitet Global Cultures – Akademie für interkulturelles Management, für die über 200 Experten zu 112 Ländern und Regionen weltweit tätig sind. | Linkedin | Xing | Google+ | Twitter | youtube | RSS |