Von Unternehmen und Kulturen – VW als Antikultur?

Von Unternehmen und Kulturen – VW als Anitkultur?

Die dreifache Komplexität

Von jeher weisen wir in unseren Seminaren darauf hin, dass die Teilnehmer bei Geschäften im und mit dem Ausland einer dreifachen Komplexität gegenüber stehen: Einerseits gilt es, sich mir der fremden Kultur auseinander zu setzen, sie zu kennen und die Handlungen und Einschätzungen darauf abzustimmen. Daneben gibt es aber immer die persönliche Komponente, denn niemand ist gleich, „den Deutschen“ oder „den Chinesen“ gibt es nicht. Ein einfaches Beispiel: Als Antwort auf das deutsche Nationalgetränk höre ich so gut wie immer Bier. Stimmt. Aber es gibt auch Deutsche, die Wein bevorzugen und deshalb nur selten oder gar nicht Bier trinken. Sind das dann etwa keine Deutsche? Natürlich sind sie es. Auch Pünktlichkeit ist ein relativer, kulturabhängiger Begriff. Hingegen kenne ich Deutsche, die einen Hang zu notorischer Unpünktlichkeit besitzen. Andererseits kenne ich Leute aus anderen Kulturen, denen man einen eher entspannten Umgang mit der Zeit nachsagt, die stets auf die Minute erscheinen.

Last not least gibt es in Unternehmen auch immer eine Unternehmenskultur. Durch Mission-Statements und Codes of Conduct fördern Unternehmen ja auch, dass eine gewisse, gewünschte Kultur entsteht. Ob dies der Fall ist, lasse ich jetzt einmal dahingestellt sein, denn was über Jahrzehnte gewachsen ist, und sich dazu noch von Abteilung zu Abteilung und von Aufgabengebieten zu Aufgabengebieten unterscheidet, lässt sich nicht über Nacht durch ein Papier ändern. Es ist ein Prozess, den die Unternehmen durch verschiedene Maßnahmen umsetzen und gestalten wollen.

Missionen

All diese Mission Statements sind natürlich von politischer Korrektheit und positiven Grundsätzen erfüllt. Auch Volkswagen besitzt ein solches Mission Statement. Der Satz „Wenn wir unsere Ziele technisch nicht erreichen, tricksen wir und versuchen, uns so lange wie möglich nicht erwischen zu lassen“ steht nicht darin. Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Automobilhersteller alles versuchen, um die offiziellen Verbrauchswerte von Benzin oder Diesel ihrer Fahrzeuge möglichst gering zu gestalten und daher jeden Spielraum nutzen, den ihnen die Vorschriften erlauben. Von daher ist es wenig überraschend, dass die offiziellen Verbrauchswerte teilweise deutlich unter den in der Praxis erreichten Werten liegen. Ich persönlich schaue immer auf die angegebenen Werte im Stadtverbrauch, da diese in der Regel recht nahe am Kraftstoffverbrauch in der Praxis liegen.

Es gehört aber natürlich schon eine gewisse kriminelle Energie dazu, diese Werte aktiv durch unerlaubte Maßnahmen zu manipulieren. Und das schon seit Jahren. Mit, wie erst kürzlich bekannt geworden, Updates und Verbesserungen. Was sollte das? In der Presse wurden umfangreiche Spekulationen angestellt, wer von was wusste und wann. Das „Aufräumen“ hat bei VW erst begonnen. Erste Rücktritte geschahen, Möglichkeiten von Schadensersatzforderungen werden geprüft, eine mögliche Prozesslawine vorbereitet. Mithin ist das gesamte Ausmaß, was den Konzern und auch einzelne Mitarbeiter oder ausgeschiedene Mitarbeiter treffen könnte noch nicht in vollem Umfang zutage getreten.

Ich werde lieber nächste Jahr, als dieses Jahr erschossen

Ich möchte hier nicht weitere Spekulationen zum Besten geben, aber folgende Tatsachen fielen mir auf. Die Manipulationen betrafen „den Brot und Butter Motor“ des Konzerns. Offensichtlich gelang es den Technikern nicht, den Motor fit für neue Emissionsregularien zu machen. Die Entwicklung eines neuen Motors oder die Veränderung des bestehenden Motors würde teuer sein und Zeit kosten. Zeit, die man anscheinend nicht hatte. Geld, das man nicht budgetiert hatte. Irgendjemand kam auf die bekannte „kreative Lösung“. Natürlich kann das kein Einzeltäter gewesen sein. Wer allerdings wann und wieviel wusste, ist noch nicht bekannt und Gegenstand der kreisenden Spekulationen. War der Vorstand informiert? Vielleicht, vielleicht auch nicht. War er es nicht, steht er jetzt vor dem Dilemma, seinen Funktionen nicht gerecht geworden zu sein. Herr Winterkorn musste bereits die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Dann aber stellt sich weiterhin die Frage, warum dies nicht der Fall war. Besaß VW keine Fehlerkultur? Wollte man sich keine Blöße in der Öffentlichkeit geben, wo doch gerade VW auch für fortschrittliche Technik steht? Oder waren es einzelne, die verhindern wollten, dass ihre Karriere in Gefahr geriet, indem sie die Vorgaben nicht erfüllen konnten? Ein ehemaliger Kollege von mir sagte einmal über schlechte Nachrichten: „Ich werde lieber nächstes Jahr, als dieses Jahr erschossen.“ Das ist nur menschlich, sagt aber vieles über den Umgang von Konzernen (auch er arbeitete in einem Konzern) mit unangenehmen Wahrheiten aus. Auch das ist Teil einer Unternehmenskultur, wenn auch ein nicht gerade positiver Aspekt.

Nicht sein kann, was nicht sein darf

Was hingegen weiterhin merkwürdig anmutet ist, dass die Täuschung jahrelang beibehalten wurde. Vielleicht wäre VW davongekommen, wenn man die „kreative Lösung“ nur kurze Zeit eingesetzt hätte und die Zwischenzeit dafür genutzt hätte, eine echte, eine technische Lösung zu finden. Dies geschah nicht. Was verleitete die Beteiligten dazu zu glauben, dass man jahrelang ungeschoren davon kommen würde? Was müssen diejenigen, die Bescheid wussten, gefühlt haben, permanent „auf dem Vulkan zu tanzen“? VW verfügt über riesige Mittel und ein beeindruckendes Investitionsprogramm. Warum wurde nicht ein Teil dieser Mittel für die Lösung des Problems genutzt? Die Antwort bleibt im gegenwärtigen Stadium offen. Der Satz, der mir dazu einfällt ist „Nicht sein kann, was nicht sein darf“. Mit diesem Grundsatz sind schon ganz andere Firmen, ja sogar ganze Gesellschaften, gescheitert.

Festzustellen bliebt, dass die Unternehmenskultur bei VW offensichtlich nicht den Raum gab, mit solchen Problemen umzugehen. Es ist auch immer eine Frage der Kontrolle. Wurde die Kontrollfunktion der einzelnen Gremien des Unternehmens korrekt ausgeübt, ergibt sich die wahnwitzige Vorstellung einer großen Verschwörung. Wurde sie es nicht, dann muss sich die Unternehmensleitung den Vorwurf gefallen lassen, schlampig gehandelt und ihre Pflichten versäumt zu haben. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass die Kontrollmechanismen unzureichend waren. Und hinterher ist man immer schlauer.
Auch andere Automobilhersteller sind ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Kraftstoffverbrauch hin, Kraftstoffverbrauch her, bisher ist nur von VW eine gezielte unrechtmäßige Manipulation bekannt. Dies macht den Unterschied. Welchen Eindruck muss nun ein Ausländer von VW gewinnen, oder gar von Deutschland selbst? Deutschland gilt als wenig korruptes Land, in dem es nach Recht und Gesetz zugeht. Wie also konnte ausgerechnet dort so etwas geschehen? Abgesehen davon, dass auch die Deutschen nur Menschen sind und daher anfällig für menschliche Schwächen, spielt meiner Meinung nach gerade die Unternehmenskultur hier eine gewichtige Rolle. Verfolgt man auch die Presseberichte vergangener Jahre drängt sich der Eindruck auf, dass es bei den oberen Gremien von VW nicht nur wirtschaftlich, sondern auch hoch politisch zugeht. Das ist sicher kein Alleinstellungsmerkmal von VW, sondern betrifft auch andere Konzerne auf der ganzen Welt. Aber man kann daraus auch ableiten, dass die interne Politik bei VW einer korrekten Lösung im Weg stand, oder trug zumindest dazu beitrug.

Kultur und Unternehmenskultur – In der wirtschaftlichen Praxis untrennbar miteinander verbunden

Damit wären wir wieder am Anfang. Die Kultur und die Mentalität eines Landes zu kennen, ist nur ein Teil des notwendigen Wissens und Verstehens bei der Bewältigung von kulturellen Herausforderungen. Es sind immer Menschen, die handeln, und im Falle der Wirtschaft sind es auch die Unternehmenskulturen, die maßgeblichen Einfluss darauf ausüben, ob und wie erfolgreich man ist. Das ist keine neue Erkenntnis, aber VW hat unfreiwillig dazu beigetragen, gerade diese Erkenntnis auf leider negative Art und Weise noch einmal präsent machen.

In unseren Workshops und Seminaren legen wir daher auch auf diesen Aspekt großen Wert, gerade auch wenn es um Entsendungen geht. Unsere Experten beziehen aktiv diesen kulturellen Aspekt mit ein und sind so in der Lage, ein stimmiges Gesamtkonzept für unsere Seminarteilnehmer zu erarbeiten.

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Interkulturelles Training Deutschland
Allgemeines interkulturelles Training

By | 2017-03-29T17:10:21+00:00 13. 03. 2016|Interkulturelles Training Deutschland|

About the Author:

Rainer Beekes ist interkultureller Experte aus der wirtschaftlichen Praxis. Während seiner Unternehmenslaufbahn war er über 25 Jahre für multinationale Konzerne wie z.B. Volkswagen Financial Services, American Express, GMAC oder Société Générale in 5 Ländern in Linien- und Führungspositionen tätig. Der studierte Betriebswirt und Master of International Management (MIM) leitet Global Cultures – Akademie für interkulturelles Management, für die über 200 Experten zu 112 Ländern und Regionen weltweit tätig sind. | Linkedin | Xing | Google+ | Twitter | youtube | RSS |