Neulich war ich mit meinen Kindern campen und paddeln. Wie jedes Jahr treffen wir uns mit anderen befreundeten Familien und verbringen 3 angenehme Tage mit Essen, Trinken und Sport. Klar, dass Grillen und „heiße Diskussionen“ am Lagerfeuer dazu gehören. Eine Bombengelegeheit, „die Probleme der Welt zu lösen“, wie das meist in diesen Runden der Fall ist. Man muss hinzufügen, dass bis auf mich die männlichen erwachsenen Mitglieder der „Camping-Expedition“ allesamt Naturwissenschaftler mit hohen Positionen an Anstalten und Universitäten sind, also hochgebildete Leute. Allerdings haben sie, wie ich feststellte, eines mit anderen Naturwissenschaftlern gemeinsam: Sie denken digital, also quasi im Sinne von 1=Ja und 0=Nein. Das ist kein Wunder, denn genauso funktionieren die meisten Naturwissenschaften. Logische Schlussfolgerungen nach dem Wenn-Dann-Prinzip führen zu Erkenntnissen. Dieser Denkweise verdanken wir unseren technischen Fortschritt.
Angewandte Denkweise – Antworten bleiben aus
Verwirrend wird für die genannten Leute, wenn man sich in das weite Feld der „Vielleichts“ und „ein bißchens“ begibt. So kam die Rede an jenem Lagerfeuer auf die Kooperation mit Indern in Indien. Laut war die Klage, dass diese Leute nicht das tun, was man von ihnen erwartete, was zu Verzögerungen und Frustration führte. Ganz klar, die Arbeitsweise der indischen Kollegen war offensichtlich anders als die in Deutschland. Und ebenso klar – die Inder wurden als ineffizient beurteilt, da sie nicht wie im hocheffizienten Deutschland funktionierten. Natürlich konnte ich dieses Problem und die damit verbundene Einstellung nicht innerhalb von 15 Minuten spätabendlicher Diskussion lösen. Es beleuchtet aber eindringlich ein Problem, das immer noch viele Leute haben, die mit dem Ausland zu tun haben.
My opinion is my castle
Es ist sowohl menschlich, wie auch natürlich, dass wir alle Verhaltensweise aus unserer eigenen Sicht beurteilen. Nicht selten kommt dann allerdings der Eindruck auf, dass der Andere „komisch“ oder „unfähig“ ist. Auch dies ist menschlich. Schließlich können wir nicht alle anderen Kulturen kennen und entsprechend einschätzen. Eine Sache können wir jedoch alle tun: Erst mal einen Schritt zurück machen und hinterfragen, warum die Verhaltensweisen so anders sind. Und wenn wir die Antworten nicht selbst finden, sind wir dann immerhin in der Lage, uns zu erkundigen. Das ist jedoch genau jener Schritt, den viele nicht vollziehen und daher zu falschen Schlussfolgerungen kommen. In unserem Beispiel ist es so, dass die Inder sich natürlich anders verhalten. Aber die Inder sind deswegen noch lange nicht unfähig oder unlogisch. Tatsächlich ist es so, dass diese Verhaltensweise in Indien effizient ist. Sie handeln natürlich aus ihrer eigenen kulturellen Sicht heraus und kennen wohl auch nicht die „Spielregeln“ in Deutschland. Ein klassischer Fall von „Clash of cultures“ also.
Ähnlich ist nicht gleich
Ein weiterer Faktor sind die angenommenen Ähnlichkeiten. Im naturwissenschaftlichen Bereich sprechen Techniker und Wissenschaftler eine gemeinsame Sprache, nämlich ihre Fachsprache. Das vereinfacht natürlich die Kommunikation. Wenn es hingegen dazu kommt, Dinge zu interpretieren oder die Zusammenarbeit zu organisieren hilft es wenig, wenn alle wissen, dass „Wasser bei 100 °C kocht“. Das angenommene gleiche Verständnis führt hingegen dann dazu, dass jeder annimmt, das gleiche verstanden zu haben. Verwirrung ist das Ergebnis auf beiden Seiten.
Wissen tut Not
Wie kommt man aus dieser Situation heraus? Es ist einfacher, als man denkt. Jeder hat gute Absichten, und mit dem nötigen Wissen kann man diese umsetzen. Ein interkulturelles Training Indien ist hier eine zielführende Maßnahme. Allerdings verlassen wir hier die digitale Welt und begeben uns auf ein Terrain, das viel Unbekanntes bereit hält und Interpretationen jenseits von Ja und Nein fordert. Viele Verhaltensweisen wurden zudem durch kulturelle Entwicklungen geprägt wurden, die nichts mit der nüchternen Naturwissenschaft zu tun haben, beispielsweise Religion. In meiner Erfahrung tun sich gerade Naturwissenschaftler damit mitunter schwer. Sie verlangen oft nach einfachen Lösungen, den berüchtigten „Dos and Don´ts“. Quasi ein Fahrplan von „Wenn-Danns“, mit dem man dafür sorgt, dass alles klappt, wenn man sich nur daran hält. Leider ist es nicht so einfach, denn es sind immer Menschen involviert. Und jeder Mensch ist anders. Von daher ist es essentiell, nicht nur sein Wissen zu vervollständigen, sondern auch geeignete Strategien für sich selbst, wie auch für die entsprechenden Situationen zu entwickeln.
Staatliche Institutionen tun sich schwer
Unternehmen denken wirtschaftlich und investieren. Dies sind Begriffe, die bei staatlichen Institutionen selten geläufig sind. Das Geld der Steuerzahler soll für Projekte ausgegeben werden, Ausgaben für „Softskills“ sind darin meist nicht enthalten. Aber genau hier liegt der Trugschluss. Auch Unternehmen verpulvern nicht Geld, um Mitarbeiter auf Seminare zu schicken, damit sie mal aus dem Büro herauskommen. Eine Investition in ein interkulturelles Training hat zum Ziel, die Arbeitseffizienz zu steigern und somit bares Geld zu sparen. Dies trifft genauso auf das Geld der Steuerzahler zu, wenn staatliche Institutionen Kooperationen mit dem Ausland eingehen. Auch wir zahlen Steuern. Von daher wäre es sicherlich eine gute Idee, in Qualität und Effizienz zu investieren, als „Trial-and-Error“-Methoden zu bevorzugen. Zugegeben, viele wissenschaftliche Versuche gehen genauso vor, aber Menschen sind keine Materialien und viel komplexer als Computer. Nur Mut also – das investierte Geld kommt tausendfach wieder herein, wenn die angestrebten Ergebnisse schneller zur Verfügung stehen und nicht von Reibungsverlusten verzögert werden.