Essensetikette in China – Guten Appetit

Gerade sind die neuen Wirtschaftsdaten veröffentlicht worden. Chinas Wachstum lahmt! Wohlgemerkt nur das Wachstum, das auf 6 % p.a. zurückgegangen ist. Man mag sich darüber in Europa die Augen reiben, aber das reicht bereits, um von einer stockenden Wirtschaft zu sprechen. Also sollte man etwas tun, wenn das China-Geschäft lahmt. Eine gute Idee ist immer die Beziehungspflege. Und da sind Geschäftsessen eine ebenso gute Idee. Vielen ist bereits klar – die Chinesen essen anders als die Europäer.

Bedeutung des Essens

Das Essen hat in China zwei Bedeutungen. Einerseits isst man, um nicht hungrig zu sein und sich den Magen zu füllen. Dann wird schnell gegessen und schnell abgeräumt, z.B. bei einem normalen Lunch. Zweitens ist ein Essen eine willkommene Angelegenheit, um die Beziehung zu pflegen. Dann ist es ein Ereignis und man muss die Regeln beachten. Selbstverständlich sollte es ein entsprechend gutes Restaurant sein und man darf nicht knausern.

Grundsätzlich: Die Tische sind rund und in der Mitte mit einer drehbaren Platte. Die Chinesen kennen nicht die traditionelle deutsche Speisenfolge: Vorspeise – Hauptspeise – Dessert, und jeder bekommt sein eigenes Essen. Es werden mehrere Gerichte bestellt, von denen sich jeder bedienen kann – deshalb die drehbare Platte in der Mitte, Chinesen teilen das Essen. Und natürlich: Man isst mit Stäbchen. In guten Restaurants kann man meist auch Messer und Gabel bestellen, aber stimmiger sind natürlich die Stäbchen, was auch einen guten Eindruck auf die chinesischen Partner macht. Das ist viel weniger schwierig, als es zunächst erscheinen mag. Mit ein wenig Übung geht es schon gut, auch wenn man noch kein „Profi“ wie die Einheimischen ist. Suppe isst man natürlich mit einem Löffel, der jedoch im Gegensatz zur westlichen Welt unten flach ist, damit man ihn ablegen kann.

Wer sitzt wo?

Die deutsche Methode, die Sitzordnung spontan zu gestalten, wenn man zum Essen geht und vornehmlich die Interessen zu berücksichtigen verfängt in China nicht. Tatsächlich gibt es eine klare Sitzordnung. Der ranghöchste Gastgeber sitzt mit dem Rücken zur Wand und Blick auf die Tür, die Ehrengäste, also seine Geschäftspartner sitzen an seiner Seite. Die weitern Teilnehmer werden dann entsprechend ihrer Rangfolge aufgereiht, wobei jeder ausländischer Gast einen einheimischen Nachbarn haben soll. Westeuropäer sollen dabei neben Chinesen ihres Ranges sitzen. Passen nicht alle an einen Tisch erhält jeder weitere Tisch einen rangnächsten Gastgeber. Achten Sie auch auf die Ausrichtung der Tische: Der höchste Gast sitzt im „Norden“ und blicken nach Süden, der Gastgeber sitzt an seiner rechten Seite. Ehefrauen und Kinder sind bei solchen Anlässen üblicherweise nicht dabei. Wenn die Gäste oder auch sie selbst mit einem Fahrer kommen, wird das Essen für sie in einem Nebenraum serviert – und vom Gastgeber bezahlt.

Was wird denn nun eigentlich gegessen?

Ein Sprichwort besagt, dass Chinesen alles essen was fliegt, außer Flugzeugen, alles was schwimmt, außer U-Booten, und alles was sich bewegt außer Autos. Da ist was Wahres dran, und es ist keine Schande, sich vornehmlich vegetarisch zu orientieren. Andererseits ist es eine gute Gelegenheit, mal was auszuprobieren, was sie noch nie gegessen haben. Ich selbst habe bereits Quallensalat (gar nicht so schlecht) und Hoden (wie wenn man auf Gummibällen kaut) probieren dürfen. Als Spezialitäten für „ganze Männer“ gelten zudem halblebende Skorpione, grüne gebratene Weichschildkröten, Fischaugen und ganze Frösche. Wie gut, dass man auch Gerichte auf der Platte weiterdrehen kann. Andererseits müssen Sie damit rechnen, dass man Sie auffordert von den „Spezialitäten“ zu probieren. Dann hilft nur die Taktik, die die Mutter von Königin Victoria von England ihrer Tochter vor der Hochzeitsnacht mit auf den Weg gab: „Close your eyes and think of England“. Vorteil: Vom Essen, das Sie auf dem Tellerrand liegen lassen, bekommen Sie kein weiteres Mal und diese Ablehnung von Speisen ist akzeptabel, wenn man wenigstens einmal probiert hat. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland ist, dass niemand seinen Teller leer essen muss, wie wir das zu Hause gelernt haben. Wann immer Sie Teller oder Glas leeren, wird ein guter chinesischer Gastgeber beides sofort wieder füllen.

Und was wird getrunken?

Alkohol. Kein Problem. Aber auch hier gibt es Regeln. Gleich vorneweg: „Kampai“ bedeutet nicht „Prost“, sondern „auf Ex“. Warten Sie auch ab, bis der Gastgeber das „Startsignal“ gibt. Und wenn Sie sich zuprosten: Der Mächtigere hält das Glas höher. Dies ist eine Respektsbezeugung. Wenn Sie also einen Kunden gewinnen wollen, halten Sie ihr Glas tiefer, als der chinesische Partner.

Was gibt es sonst noch zu beachten?

Die Wünsche des Gastgebers sind Befehl – das ist praktisch, und wenn Sie der Gastgeber sind, sollten Sie natürlich darauf achten, dass die Wünsche des Gastes unverzüglich umgesetzt werden. Generell beginnt der Gast das Mahl. Und es ist auch nicht unüblich, zu toasten. Üblicherweise beginnt der Gastgeber. Dieses Mittel können Sie nutzen, um eine gute Stimmung zu erzeugen. Aber reden Sie natürlich über unverfängliche und positive Dinge. Zum Abschluss prosten Sie auf die Gesundheit, die Zusammenarbeit etc.. Man wird dann natürlich auch erwidern. Weiterhin sollten Sie sich nicht davon irritieren lassen, wenn gerülpst, geschmatzt und geschlürft wird. Das ist in China kein schlechtes Benehmen am Tisch. Natürlich müssen Sie dabei nicht mitmachen. Vermeiden Sie aber auf jeden Fall, sich zu schnäuzen, was in China als sehr unhöflich gilt. Dies gilt übrigens generell. Wenn die Nase also läuft – lieber auf die Toilette ausweichen.

Wer zahlt die Zeche?

Selbstverständlich der, der eingeladen hat. Generell gibt es übrigens keine getrennten Rechnungen, auch wenn man ohne Einladung gemeinsam isst. Die Begleichung der Rechnung erfolgt dann nicht am Tisch, sondern diskret im Hintergrund, wenn es sich um eine Gruppe handelt. Wenn Sie zu Mehreren sind, sollte einer Ihrer Mitarbeiter das erledigen, oder Sie stimmen sich im Vorfeld mit Ihren Kollegen ab, wer die Rechnung übernimmt.

Wenn Sie diese kleinen Hinweise beachten, sollte einem harmonischen Essen nichts im Wege stehen. Und wer weiß, was dabei herauskommt. Beziehungspflege ist in China ein „Muss“, und wer freut sich nicht über einen gelungenen Abend oder ein köstliches Mittagsmahl im Restaurant? Guten Appetit!

Mehr zum interkulturellen Traning China finden Sie hier!
By | 2019-10-30T08:09:58+00:00 30. 10. 2019|Interkulturelles Training China|

About the Author:

Rainer Beekes ist interkultureller Experte aus der wirtschaftlichen Praxis. Während seiner Unternehmenslaufbahn war er über 25 Jahre für multinationale Konzerne wie z.B. Volkswagen Financial Services, American Express, GMAC oder Société Générale in 5 Ländern in Linien- und Führungspositionen tätig. Der studierte Betriebswirt und Master of International Management (MIM) leitet Global Cultures – Akademie für interkulturelles Management, für die über 200 Experten zu 112 Ländern und Regionen weltweit tätig sind. | Linkedin | Xing | Google+ | Twitter | youtube | RSS |