Gender Diversity – Frauen in Führung und was deutsche Firmen auch von Unternehmen aus dem Ausland lernen können
Diversity – eine „moderne Erfindung“
Vor noch gar nicht so langer Zeit, wurde das Geschäftsleben in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern, von Männern dominiert. „Old boys clubs“ gab es nicht, da dazu keine Notwendigkeit bestand. In einem der Sherlock Holmes Romane, der in der viktorianischen Epoche spielt, fand ich einmal den Hinweis, dass eine Frau Berufung und Erfüllung in Haushalt und Familie fände und für das Geschäftsleben nicht geeignet sei. Das war in Deutschland nicht anderes. Während des Dritten Reiches verlieh man Müttern sogar ab einer zu betreuenden Kinderschar von 5 und mehr das Mutterkreuz. Eine aus meiner Sicht etwas zynische Art und Weise, Nachwuchs für die Armee zu propagieren. Erst 1953 wurden in der Bundesrepublik Deutschland offiziell alle Gesetze als verfassungswidrig eingestuft, die der Gleichstellung von Mann und Frau zuwider liefen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Ehefrauen damals weder arbeiten, noch zum Beispiel ein Bankkonto eröffnen durften ohne die Zustimmung ihrer Ehemänner. Frauen arbeiteten vornehmlich in einfachen Büroberufen bis sie heirateten und Kinder bekamen, oder sie arbeiteten, weil sie dringend ein zweites Einkommen für die Familie benötigten. Seither hat sich einiges geändert. Trotz allem blieben die Geschlechterrollen lange Zeit in den Köpfen zementiert.
Barrieren im Kopf
Einstellung ist eine individuelle Sache. Sie zu ändern ist ein langer Prozess. Generell ist ein Paradigmenwechsel in Unternehmen notwendig, wobei auch und gerade die Unternehmensführung gefragt ist. Dies betrifft nicht nur die „Old Boys“, denen Männerklubs in Führungsetagen lieber sind und die bewusst oder unbewusst diese Situation erhalten wollen, sondern auch die Frauen selbst. Der Spagat zwischen Unternehmens- und Haushaltsführung, Karriere oder Familie bringt viele Frauen in einen emotionalen Zwiespalt. Viele fühlen sich aufgrund „alter“ Werte gezwungen, sich zwischen beidem entscheiden zu müssen. Argumente wie „wozu soll ich Kinder kriegen, wenn ich arbeiten gehe und sie dann abgebe“ hört man häufig. Merkwürdig, bisher habe ich noch von keinem Mann dieses Argument gehört. Weiterhin geht das „Gespenst der Rabenmutter“ um. Dieser Ausdruck ist übrigens nur in Deutschland geläufig und sagt einiges über die gesellschaftlichen Einstellungen aus. Ebenfalls merkwürdig: Mütter im Ausland, wie beispielsweise Frankreich, Skandinavien, Großbritannien oder auch Russland, die nach gängiger Vorstellung die Kriterien einer „Rabenmutter“ erfüllen, ziehen völlig normale Kinder groß. Wie kann das sein? Ist Deutschland in dieser Hinsicht eine Insel????
Zusätzlich muss man anmerken, dass es auch in Deutschland eine Zweiteilung gibt, zumindest was arbeitende Frauen angeht. In den neuen Bundesländern stehen sowohl mehr Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung, und es herrscht auch ein anderes Verständnis was arbeitende Frauen angeht. Das ist „das Erbe der DDR“. Dort mussten Frauen eben auch arbeiten, was noch nicht heißt, dass sie auch in Positionen waren, wo sie das Sagen hatten.
Chancen und Notwendigkeit von Gender-Diversity
Allein schon die demografische Entwicklung in Deutschland macht es erforderlich, dass auch Frauen zunehmend am Berufsleben teilnehmen. Aber nur jene Unternehmen, die diese Entwicklung als Chance und Bereicherung verstehen, können aus der Gender-Diversity Nutzen ziehen und von ihr profitieren. Hierbei geht es nicht einfach nur um benötigte Arbeitskräfte im weiteren Sinne. Es geht auch darum, dass Frauen und Männer unterschiedliche Qualitäten mitbringen, von denen die Unternehmen profitieren können, wenn sie sie miteinander verbinden können. Dies ist keine leere Hoffnung oder ein hohles Statement, um modernes Denken zu demonstrieren. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Mai 2017 berichtete, führte eine Studie der Norwegian Business School unter 2900 Führungskräften zu der Erkenntnis, dass Frauen in fünf Kriterien, die eine gute Führungskraft ausmachen (Emotionale Stabilität, Extrovertiertheit, Offenheit, Geselligkeit und Gewissenhaftigkeit) besser abschnitten. Die untersuchten Frauen kamen im Durchschnitt in vier der fünf Kategorien auf bessere Ergebnisse als die untersuchten Männer. Die Kategorie, in der die Frauen schlechter abschnitten, war emotionale Stabilität/Stressresistenz. Ebenso frappierend sind andere Untersuchungen. In der gleichen Quelle wird erwähnt, dass das Peterson Institute for International Economics in Washington in der bislang größten Studie zum Thema Frauen in Führungspositionen in 91 Ländern herausfand, dass ein um 30 Prozent höherer Frauenanteil in der Chefetage mit einem um 15 Prozent erhöhten Netto-Umsatz einhergeht. Und McKinsey stellte schon im Jahr 2007 fest, dass eine signifikante Korrelation besteht zwischen einem höheren Frauenanteil in den Führungsteams und einem Anstieg in der Eigenkapitalrendite, sowie der Ebit-Marge. Viele Schlagzeilen machten später auch Studien der Schweizer Bank Credit Suisse aus dem Jahr 2012 und 2014. Das Ergebnis: Unternehmen mit mindestens einer Frau im Vorstand erwirtschaften höhere Renditen. Schlechte Nachrichten für die Old Boys. Aber: Frauen müssen sich auch trauen!
Vom Kampf zur Kooperation der Geschlechter: Gender-Diversity als Erfolgsfaktor
Jeder redet von Diversity. Der Kampf der Geschlechter bindet jedoch Ressourcen und führt zu suboptimalen Ergebnissen. Das Nutzen unterschiedlicher Talente und Qualitäten ist aber gleichzeitig der Schlüsselfaktor für zukünftigen Unternehmenserfolg. Diese erschließen sich jedoch leichter, wenn der Kampf der Geschlechter durch Kooperation der Geschlechter ersetzt wird.
Gerechtigkeit – was heißt das eigentlich?
Immer wieder hört man von Gerechtigkeit und Gleichberechtigung. Aber was bedeutet das konkret? Sollen alle Führungspositionen 50/50 mit Frauen und Männern besetzt werden? Welche Rolle spielt die fachliche Qualifikation? Gleiches Geld für gleiche Arbeit? Und wenn ja, für welche Arbeit? Diese Fragen sind philosophischer Natur. Für den Autor persönlich bedeutet es vor allem, dass Frauen und Männer ungeachtet ihres Geschlechts dieselben Ausgangschancen haben sollten. Ein hehrer Wunsch. Aber ich erinnere mich an die 70er, als die Grünen Einzug in viele Landesparlamente hielten, bevor sie auch im Bund vertreten waren. Es war eine eher chaotische Truppe und neben Umweltanliegen mit linken gesellschaftspolitischen Zielen. Joschka Fischer wurde in Hessen in Turnschuhen vereidigt und „Emanzen“ in weiten schlabberigen Kleidern strickten im Parlament. Es war trotz alledem die Keimzelle einer Partei, die heute laut Umfragen die zweitstärkste politische Kraft in der Bundesrepublik ist und bereits in den 90er Jahren zweimal in der Regierung saß. Joschka Fischer wurde fett, dann wieder schlank und wieder korpulent. Aber er trug dann auch Anzüge und gilt heute als einer der profiliertesten Politiker Deutschlands. Mit anderen Worten, die Grünen haben den „Marsch durch die Institutionen“ erfolgreich bewältigt und sich etabliert. Das kam nicht von heute auf morgen. Eine gleiche Entwicklung kann man für Frauen in Führungspositionen voraussehen. Die „Old Boys“ werden irgendwann abtreten und Leuten mit moderneren Ideen Platz machen. Wenn das so ist, steigen die Chancen von Frauen für Führungspositionen dramatisch an. Aber es liegt auch an den Frauen selbst, ideologischen Ballast abzuwerfen. Frauen, die sich für Familie oder Karriere entscheiden, stehen für Führungspositionen nicht zur Verfügung, wenn sie die Option Familie wählen. Dabei sind gerade Mütter so gut wie kein anderer Personenkreis auf Herausforderungen des Alltags vorbereitet. Schnelle Entscheidungen, Pragmatismus, Prioritäten setzen – all jene Attribute, die gemeinhin mit guter Führung gleichgesetzt werden, sind in einer Familie Alltag! Der arbeitende Autor weiß das. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder, die gerade flügge werden. Seine Frau arbeitet als erfolgreiche Beraterin.
Wo geht es hin?
Wenn es um die Familie geht, ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Versorgung der Kinder sicher zu stellen. Dies bedeutet im Falle von Karriere – Tagesbetreuung von Kindern. Die Politik hat bereits erste Ansätze verwirklicht, wie zum Beispiel den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze. Viele große Unternehmen haben zudem Betriebskindergärten eingerichtet. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Wenn Plätze zur Kinderbetreuung zur Verfügung stehen, muss man sie auch nutzen wollen! Abgesehen davon, verdienen Frauen in echten Führungspositionen ein Gehalt, das eine private Kinderbetreuung ermöglicht. Ursula von der Leyen mag da als prominentes Beispiel gelten. Als der Autor für eine französische Firma in Deutschland arbeitete, hatte seine Vorgesetzte in Paris fünf Kinder! Trotzdem erfüllte sie einen sehr anspruchsvollen Job. Es liegt also auch an den Frauen, das Stigma der „Rabenmutter“ abzuwerfen und die Möglichkeiten zu nutzen, die geboten werden. Also Frauen – traut Euch. Und was die „Old Boys“ angeht – die Aktionäre werden es Euch danken. Geld hat kein Geschlecht und die Aktienkurse werden von der Unternehmensleistung bestimmt. Ich verweise auf den Abschnitt „Chancen und Notwendigkeiten“.