Kommunikation in agilen Projekten und klassischen Projekten

Nicht umsonst gehört die offene Kommunikation zu den Grundprinzipen agilen Handelns. Agiles Projektmanagement erfordert geradezu eine offene und transparente Kommunikation, um zu funktionieren, denn – die Entscheidungsträger sind die Ausführenden selbst. Und die tragen auch die Verantwortung! „Politische Spielchen“ mit „gezielter“ Kommunikation bringen agile Projekte unweigerlich zum Scheitern. Nicht umsonst sind beispielsweise bei der agile Methode Scrum bestimmte Meetings ein fester Bestandteil der Struktur, die auch nicht geändert werden darf. Selbst wenn die Nachrichten lauten „Im Westen nichts Neues“.

Kommunikation? – Fehlanzeige

Der Autor selbst wurde vor einigen Jahren ins Ausland geschickt als Geschäftsführer einer kleineren Tochtergesellschaft, die mit vielen lokalen und internationalen Mitarbeitern gespickt war. Dort herrschte eine eher trübe Atmosphäre. Obwohl alle in einem Großraumbüro saßen, wurschtelte jeder vor sich hin. Die Unzufriedenheit war groß, die Atmosphäre am Boden. Dies blieb auch den Verantwortlichen in der Zentrale nicht verborgen, die Leistungen blieben stets hinter den Erwartungen zurück. Zudem arbeitete man in einer Matrixstruktur, so dass die einzelnen Beschwerden auch stets direkt in der Zentrale landeten. So konnte es nicht weitergehen. Man fand heraus, dass der Geschäftsführer, der auf dem Papier die besten Voraussetzungen für seine Rolle mitbrachte, so gut wie unsichtbar war. Er war ebenfalls Ausländer, hatte in dem Land aber studiert und kannte Sprache und Mentalität der Mitarbeiter. Allein – er sah sie kaum, was nicht an den Mitarbeitern lag. Ab und zu tauchte er auf Meetings auf, für die seine Anwesenheit erforderlich war, und verbrachte ansonsten viel Zeit in seinem Büro – er hatte natürlich das einzige Einzelbüro.

Kommunikation? – Führungsaufgabe

Der Geschäftsführer wurde also durch den Autor ersetzt. Aufgabe, sozusagen als Projekt: Verbesserung der Atmosphäre und höhere Produktivität. Durch Meetings und Management by walking around verschaffte ich mir erst einmal einen Überblick. Diese Sichtbarkeit zeigte eine gewisse positive Wirkung, denn nun hatten die Mitarbeiter wieder das Gefühl, dass da jemand ist, der sich für ihre Belange interessierte und der ansprechbar war. Zu jener Zeit waren agile Methoden noch nicht in aller Munde, sondern einem bestimmten Kreis an Fachleuten vorbehalten. Dennoch war mir bewusst, dass es weiterer Verbesserungen bedurfte. Die Mitarbeiter waren alle willig, gut ausgebildet und durchaus in der Lage, ihren Job gut zu machen. Um die Transparenz zu fördern und auch stets zu wissen, was im Unternehmen vor sich ging, führte ich ein wöchentliches Meeting ein mit allen meinen direkten Mitarbeitern, vom Abteilungsleiter bis zur Assistentin. Dort waren alle gleich, in dem Sinne, dass alle an mich berichteten und Gehör fanden. Denn jeder Teilnehmer sollte darüber berichten, an was er gerade arbeitete, was er vor hatte und wofür er möglicherweise Unterstützung brauchte. Dieses Meeting erwies sich als „Eisbrecher“, denn es gab keine Zusammenkunft, bei der nicht wenigstens ein Teilnehmer sagte: „Du, das ist wichtig. Das betrifft mich auch. Lass und uns nachher mal zusammensetzen.“ Bingo – so kam die Kommunikation wieder in Gang und schon nach kurzer Zeit freuten sich die Mitarbeiter auf das Meeting, denn sie hatten nicht nur seinen Wert erkannt, sie hatten ihm diesen Wert durch ihre Beteiligung auch selbst verliehen. Für mich war das eine sehr bequeme Sache, denn so konnte auch ich mich auf meine eigentlichen Aufgaben konzentrieren und sicher sein, dass der Rest „des Ladens lief“.

Entsprechend veränderte sich die Atmosphäre, was in der Zentrale durchaus positiv bemerkt wurde. Als wir später noch zwei andere Mitarbeiter zur Verstärkung des Teams von außerhalb für eine besondere Aufgabe zugeteilt bekamen, erleichterte diese Vorgehensweise auch enorm die Integration in die Firma. Das unbewusste „weekly Scrum meeting“ hatte sich bewährt und es bedarf keine Zauberformel, um Kommunikation umzusetzen. Auch einfache Maßnahmen können zum Erfolg führen – man muss sie schlicht und ergreifend umsetzen!

Haltung – der entscheidende Führungsfaktor

Grundlage für den Erfolg der Meetings war also, dass sie stattfanden. Und weiterhin, dass sie in der richtigen Atmosphäre stattfanden. Es gab kein Ober oder Unter. Es gab keinen Chef, dem berichtet wurde. Der Chef selbst war Teil der Prozedur, denn auch er berichtete, an was er gerade arbeitete, wie alle anderen auch. Dies bedeutet nicht, dass es keine Hierarchien gab, aber sie spielten einfach keine Rolle. Alle berichteten allen, und so wurde es auch verstanden. Der Chef diente lediglich als Moderator. Weiterhin ging es bewusst nur darum, zu berichten, nicht darum, zu werten, sich zu beklagen oder irgendwelche Schuld zuzuweisen. In diesen Faktoren lag der Erfolg der Meetings begründet. Hierin unterschieden sie sich nicht von agiler Arbeitsweise und belegten eindrucksvoll den Erfolg der Verfolgung agiler Prinzipien auch außerhalb der agilen Welt.

Führung und Kommunikation in Projekten – ein Beispiel

Erst neulich konnte ich in einem Seminar erleben, wie all die entscheidenden Erfolgsfaktoren zu Erfolg und Misserfolg beitrugen. Zwei Teams von je drei Leuten sollten aus verschiedenen Materialien (Papier, Schere, Kleber etc.) einen Turm bauen, der bestimmten Kriterien entsprechen sollte. Bewertet wurden Standfestigkeit, Originalität und Höhe. Dafür hatten die Teams 30 Minuten Zeit. Eine durchaus konventionelle und übliche Übung in Seminaren. In dem Unternehmen, in dem die Seminarteilnehmer tätig sind, pflegt man einen reich klassischen Projektansatz.

Auf geht´s!

Beide Teams begannen voller Enthusiasmus. Es wurde von allen kommuniziert und viele Ideen entstanden. 30 Minuten sind eigentlich eine ausreichende Zeit, aber in keinem Team beobachtete irgendjemand die Zeit. Vielmehr stürzten sich alle in die Arbeit und jeder versuchte so gut wie möglich zum Gelingen des Projekts beizutragen. Das Ziel der Arbeit wurde quasi „en passant“ festgelegt. Als Ziel von Team B kristallisierte sich schnell heraus, den höchsten Turm zu bauen, obwohl dies nur eines der Bewertungskriterien war. Nachdem dies von allen Teammitgliedern quasi in stillem Einverständnis akzeptiert worden war, also keine bewusste Entscheidung getroffen worden war, begannen alle wie wild die Materialien zu verwenden und durch learning by doing zum Erfolg beizutragen. Recht schnell verlor sich die Aktivität in individuelle Aktionen, die alle gut gemeint, aber nicht abgestimmt waren. Ergebnis: Der Turm wurde zwar der höchste, aber er kippte 30 Sekunden vor dem Ende der Bauzeit um. Niemand hatte die Zeit im Kopf gehabt und für eine Reparatur war es zu spät.

Strategie ist eine bewusste Entscheidung, die kommuniziert werden muss

Team B hingegen präsentierte einen nur halb so hohen Turm. Aber er stand fest und war mit originellen Malereien und Ausschmückungen versehen. Diese Ausführung beruhte auf einer bewussten Entscheidung. Auch Team A hatte wie Team B begonnen, auch dort hatte niemand auf die Zeit geachtet. Beide Teams konnten sich nicht sehen, aber nachdem Team B in die Höhe bauen wollte und hierzu eine Teilnehmerin auf einen Tisch steigen musste, blieb dies nicht unbemerkt. Daraufhin entschloss sich Team A zu einer bewussten Änderung der Strategie unter Federführung einer Teilnehmerin: Wenn man nicht mit der Höhe konkurrieren konnte oder wollte, würde man auf Standfestigkeit und Originalität setzen. Hierzu war noch genug Zeit und der Turm wurde entsprechend beendet. Fazit: Auch wenn Team A den höchsten Turm gehabt hätte (so er denn nicht umgefallen wäre), hätte Team B den Sieg davon getragen.

Der „Turmbau zu Babel“ und seine Erkenntnisse

Der Erfolg von Team B war durch verschiedene Faktoren begründet. Erstens war das Team in der Lage, seine Strategie in Frage zu stellen, neu abzustimmen und einen Konsens zu erzielen, der von allen umgesetzt wurde. Zweitens gab es im entscheidenden Moment eine Führung, die den Strategiewandel bewirkte. Drittens war man so in der Lage, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, nachdem Team A „sich verraten“ hatte. Obwohl auch Team A sich am Anfang keine Zeit genommen hatte, sich grundsätzlich zu besprechen und angesichts des empfundenen Zeitdrucks in Aktionismus verfallen war, war dieser Ansatz durch Trail and Error und die entsprechenden Strategieänderungen von Erfolg gekrönt. Unteranderem auch deshalb, weil sich eine allgemein akzeptierte Führungsrolle herausgebildet hatte.

Agil oder nicht agil – Kommunikation ist der Schlüssel zu allem

Auch wenn beide Teams mit Experimenten, Iterationen und Hierarchiefreiheit begannen, kann man diese Vorgehensweise kaum als agil bezeichnen. Agilität zeichnet sich nicht durch blindes Versuchen aus, sondern gerade dadurch, dass man ein klares Ziel vor Augen hat. Dann geht es darum, auf welche Weise dieses Ziel erreicht werden soll. Klar ist jedoch auch hier, dass unabhängig von der Projektorganisation oder der Vorgehensweise die Kommunikation der Schlüsselfaktor für den Erfolg ist. Eigentlich eine Binsenweisheit und auch die Übung mit dem Turmbau ist alles andere als neu. Umso mehr muss man betonen, dass man diese „gängigen“ Erkenntnisse immer wieder an den Mann oder die Frau bringen, sie mithin KOMMUNIZIEREN muss, damit sie auch umgesetzt werden. Und wie unser erstes Beispiel zeigt, können auch einfache Dinge viel bewirken. Agile Prinzipien sind die Voraussetzung für erfolgreiches agiles arbeiten, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht auch erfolgreich in anderen Konstellationen angewendet werden können. Schließlich tragen sie zum gemeinsamen Erfolg bei und darauf kommt es letztlich ja an.  Wichtig ist dann allerdings, dass die Führungsrolle, von wem auch immer, wahrgenommen werden muss, damit die Kommunikation erstens überhaupt erfolgt, und zweitens in die richtigen Bahnen gelenkt wird.

Mehr zum Führungstraining finden Sie hier!
By | 2019-10-16T13:07:28+00:00 16. 09. 2019|Führungstraining|

About the Author:

Rainer Beekes ist interkultureller Experte aus der wirtschaftlichen Praxis. Während seiner Unternehmenslaufbahn war er über 25 Jahre für multinationale Konzerne wie z.B. Volkswagen Financial Services, American Express, GMAC oder Société Générale in 5 Ländern in Linien- und Führungspositionen tätig. Der studierte Betriebswirt und Master of International Management (MIM) leitet Global Cultures – Akademie für interkulturelles Management, für die über 200 Experten zu 112 Ländern und Regionen weltweit tätig sind. | Linkedin | Xing | Google+ | Twitter | youtube | RSS |